Die Eifel ist ein schwach besiedeltes Schiefergebirge im Westen Deutschlands, unweit von Köln gelegen. Bevor Hollywood die Märchengestalten seiner Wälder, Flüsse und Seen in den Ruhestand versetzte, war es von Riesen und Elfen, Werwölfen und Zwergen bevölkert, doch inzwischen gibt es keinen Grund mehr, sich zu fürchten.
Auch in der Eifel sind die Straßen beleuchtet, und das Leben ist von gepflegter Übersichtlichkeit. Wenn ein Mistwagen durchs Dorf fährt und dabei ein Geringes seiner Ladung verliert, fordert die örtliche Polizei den Fahrer mit Strenge auf, seinen Dreck unverzüglich zu entfernen. Man kennt nicht nur den Fahrer, sondern vermutlich auch dessen Hund persönlich.
Für die Kommissarin Sophie Haas, aus Köln hierher versetzt, ist es »Taka-Tuka-Land«. Nicht mal eine Autostunde von ihrer geliebten städtischen Heimat entfernt, aber in allem das öde Gegenteil. Haas' Leidenschaft gilt den Abgründen der Menschheit, inklusive Drogenhandel, Kidnapping und Schusswaffengebrauch. Mitbürger, die mit Salzteiggebäck ihre Wohnung schmücken, geben ihr Rätsel auf, die sie nicht lösen will.
Fremde Welten, die aufeinanderstoßen
Die Serie fand 2015, nach drei Staffeln mit einem halb gelungenen Abschlussfilm von 90 Minuten, ein viel beweintes Ende. Auch in zahllosen Wiederholungen erzielt sie noch beste Quoten. Die ARD setzt sie nun fort, allerdings mit neuem Personal: Katharina Wackernagel, Sebastian Schwarz und Eva Bühnen bilden das neue Polizeiteam in der Eifel. Die Grundidee wird wohl dieselbe bleiben: Fremde Welten, die aufeinanderstoßen – brisant im richtigen Leben wie in der Kunst. Der Reiche, der sich von einem Armen in den Rollstuhl helfen lassen muss (»Ziemlich beste Freunde«), die Millionärsfamilie, die von einer Sippe aus dem Prekariat abhängig wird (»Parasite«) – das ist bester dramatischer Stoff. Zu einer Komödie wird er, wenn die Umstände harmlos sind. Und zu einem Festspiel der Ironie, wenn beide Seiten eigentlich kein Interesse aneinander haben.
Das ist die Lage, in der Caroline Peters im Original als adrenalinsüchtige, selbstbewusste Kommissarin auf ihre Untergebenen stößt, den biederen Polizisten Dietmar Schaeffer (Bjarne Mädel) und seine patente Kollegin Bärbel Schmied (Meike Droste): Man will nichts wissen voneinander. Das rote Cabriolet von Sophie Haas, der urbane Chic ihrer Klamotten, ihr sorgsam gehütetes Privatleben sind für eine kleine Aufregung in der Wache gut. Doch im Grunde ist das Provinzpersonal in behäbiger Unschuld davon überzeugt, dass seine Lebensweise die einzig richtige ist und seine Betriebstemperatur der Umgebung angemessen. Neue Methoden, Misstrauen gegen Leute, die man schon ewig kennt, Aufwühlen alter Geschichten, wozu?
Wenn wirklich mal ein Mord passiert, dann war das mit Sicherheit »jemand von außerhalb«. Die Kommissarin kann währenddessen für das Innerhalb wenig Interesse aufbringen, weder für traditionelle Feste, noch für Plätzchenrezepte und erst recht nicht für den Raub von Muttererde an einer Baustelle. Und auch nicht für einen Polizisten, der mit Freude und beiden Händen den Dienstwagen schrubbt und am Feierabend mit seiner Frau Tierfilme guckt. Die wiederum hält ihren leicht übergewichtigen, schwer begriffsstutzigen Männe in eifersüchtiger Unschuld für einen Womanizer. Dass die Kommissarin – blond wie sie selbst, aber offenbar ohne feste Beziehung – ihren Dietmar verführen will, hält sie bis zum Beweis des Gegenteils für ausgemacht.
Überschüttet mit Liebe
Drei Staffeln lang hat dieser Clash of Cultures gezeigt, wie sehr das öffentlich-rechtliche Fernsehen sein Publikum unterschätzt: Man rieb sich bei der ARD die Augen über die Liebe, mit der die glorreichen Drei – ergänzt um charakterstarke Nebendarsteller – aus Hengasch im Kreis Liebernich von den Fernsehzuschauern überschüttet wurden. So wenig vermochte man zu glauben, dass Präzision und Qualität de luxe, von Schauspiel und Regie bis zur Musik von Andreas Schilling (mit hohem Bläsereinsatz ein virtuoses Spiel mit der volksmusikalischen Tradition), wirklich einen Unterschied macht, dass man die Drehzeiten, wie von Bjarne Mädel beklagt, verkürzte und das Ensemble schließlich die Lust verlor.
Am Ende der drei Staffeln war die Ironie durch Klamauk ersetzt; für die dörfliche Pause, in der die Komik sich entfalten durfte, fehlte die Geduld. Immerhin, es blieb bei der unsentimentalen Ausgangskonstellation: Man kann gemeinsam durch Höhen und Tiefen stolpern, durch matschige Felder stapfen und die Gipfel des Menschlichen erklimmen, aber jeder geht nach wie vor in seinem Gang; hier in klackernden Pumps, dort im ländlich passenden Schuhwerk.
Identitätskonflikte, das war der schöne Trost dieser Serie aus der verregneten Provinz, lassen sich nicht lösen, sondern nur überstehen. Zum Glück aller Beteiligten sowie des Publikums.
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