
Werbung für digitalen Impfnachweis (in einer Apotheke in Berlin): »Keine Ahnung, ob das so gedacht ist«
Foto: Paul Zinken / dpaDer digitale Impfnachweis verspricht ein Stück wiedererlangter Freiheit, sei es durch den Wegfall der ständigen Schnelltests oder beim Reisen in Europa. Entsprechend groß ist der Andrang auf die Apotheken, die den Nachweis ausstellen. Doch die haben zumindest teilweise mit technischen und organisatorischen Schwierigkeiten zu kämpfen, was auch die Kundinnen und Kunden zu spüren bekommen.
Am Montag war es noch die Seite mein-apothekenmanager.de, auf der sich die teilnehmenden Apotheken abrufen lassen, die zeitweise überlastet war. Am Dienstag war es dann offenbar der Server des Robert Koch-Instituts (RKI), der nicht erreichbar war. Zwischen 9.30 und 18 Uhr, berichtete die pharmazeutisch-technische Assistentin Samina Mir aus Hamburg auf Twitter, konnte ihre Apotheke keine Nachweise ausstellen. Auch ein SPIEGEL-Reporter stellte fest, dass eine Apotheke in Hamburg ihre Kundinnen und Kunden deshalb vertrösten musste.
Das RKI bleibt die Antwort auf die Frage, ob der eigene Server überlastet war, schuldig: »Selbstverständlich könnten wir diese Frage direkt beantworten, wir haben jedoch zur Bewältigung der Vielzahl von Anfragen an die verschiedenen Beteiligten die Vereinbarung getroffen, dass das BMG diese Anfragen zentral beantwortet.«
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) wiederum beantwortete die Frage, ob der RKI-Server am Dienstag überlastet war, folgendermaßen: »In sehr kurzer Zeit sind bis gestern rund 7 Millionen digitale Impfzertifikate erstellt worden.« Die große Nachfrage habe dazu geführt, dass »die Server und die Datenflüsse zwischen der Vielzahl der Beteiligten (IT von Impfzentren, Arztpraxen, mobile Teams wie auch Apotheken) optimiert werden mussten. Dazu waren heute kurzfristige Unterbrechungen des Betriebs notwendig.« Das Statement kam wohlgemerkt am Mittwoch und wirft damit mehr Fragen auf, als es beantwortet.
Unbrauchbare Antworten des Ministeriums
Samina Mir hat darüber hinaus weitere Schwachpunkte in dem System beschrieben. Die betreffen zum einen Menschen, die aufgrund einer bereits überstandenen Coronainfektion nur eine Impfdosis erhalten. Mir schrieb, es gebe »keine Möglichkeit, eine durchlaufene Infektion einzutragen. Was SEHR relevant ist, denn diese Menschen bekommen nur eine Impfung und die gilt als Zweitimpfung. Wir haben diese zuletzt auch so eingetragen. Keine Ahnung, ob das so gedacht ist, das konnte uns bisher keiner sagen.«
Davon betroffen ist auch Jens Zimmermann aus dem schwäbischen Fellbach. Der Sportmoderator und Stadionsprecher war am Dienstag in Stuttgart in einer Apotheke. Geimpft worden war er nur einmal, da er die Coronainfektion bereits durchgemacht hat. Das Ergebnis: ein unbrauchbarer digitaler Impfnachweis, denn sowohl in der Corona-Warn-App wie auch in der App CovPass heißt es für ihn, der Impfstatus sei unvollständig. Auf die Idee, die Impfung als zweite Impfung einzugeben, war sein Apotheker nicht gekommen.
Zimmermann nennt die derzeitigen Schwächen des Systems »ein Armutszeugnis für Deutschland«. Aus beruflichen Gründen sei der Impfpass sein ständiger Begleiter, zudem wolle er in der nächsten Woche in den Urlaub fliegen. »Somit habe ich mich bewusst bereits am Dienstag um die digitale Lösung bemüht – leider erfolglos«, sagte er dem SPIEGEL. »Wie kann man die Gruppe der Genesenen und somit einmal geimpften bzw. der mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson Geimpften bei der Programmierung vergessen? Das ist mir ein absolutes Rätsel – von den Zusatzkosten ganz zu schweigen. Es wird irgendwann so sein, dass man nochmals zum Apotheker gehen muss, noch mal bekommt dieser das (zu Recht) bezahlt.«
Im FAQ des Gesundheitsministeriums heißt es dazu: »Negative Tests oder eine durchgemachte Infektion werden sich künftig in der CovPass-App und auch Corona-Warn-App in der nächsten Entwicklungsstufe (bis Ende Juni) als Testzertifikat bzw. Genesenenzertifikat hinterlegen lassen.« Auf Nachfragen des SPIEGEL dazu antwortete das Ministerium mit exakt demselben Satz.
Samina Mir berichtete zum anderen von der umständlichen Bedienung des Nachweissystems. Es sei nicht möglich, beide Impfungen einer zweimal geimpften Person auf einmal einzugeben. Die Apotheken seien aber in einem Rundschreiben angehalten worden, jede Impfung einzutragen, nicht nur die (für alle, die nicht den Impfstoff von Johnson & Johnson bekommen haben) entscheidende zweite. Vertippt sich jemand bei der Eingabe, müsse man komplett von vorn anfangen, denn »im Rundschreiben stand auch, dass wir in solchen Fällen auf keinen Fall auf ›Daten ändern‹ gehen sollen, sondern noch mal auf die Startseite«.
Für Apotheken bedeutet das System viel Arbeit, die aber immerhin mit 18 Euro pro Nachweis vergütet wird. Für Menschen wie Jens Zimmermann bedeutet es: Auch wenn sie zu den ersten gehören, die als durchgeimpft gelten, gibt es das für sie gedachte digitale Zertifikat erst Ende Juni. Genauer wird das Ministerium auf Nachfrage nicht.
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