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Notfallalarm per Cell Broadcast: Klassische Handy-Technik schlägt Warn-Apps - CHIP Online Deutschland

NINA, Katwarn & Co.: Was Warn-Apps unbedingt besser machen müssen

Die verheerenden Überflutungen in Deutschland stoßen Veränderungen im Warnsystem an. Zwar soll es Warn-Apps wie NINA oder Katwarn weiterhin geben, bis Mitte 2022 sollen aber auch Handy-Warnungen per Cell Broadcast möglich sein. Eine gute Entscheidung, denn in vielen anderen Ländern wird das bereits gemacht und die dafür eingesetzte Technik ist den Warn-Apps deutlich überlegen.

Warn-Apps sind ein nützlicher Baustein im Notfallwerkzeugkasten, mit dem man die Bevölkerung bei drohenden Katastrophen schnell und direkt warnen kann. Doch nach den verheerenden Überflutungen in Deutschland wird zu Recht die Diskussion geführt, ob die Apps überhaupt einen guten Job machen oder ob man nicht ganz andere Werkzeuge braucht.

Fakt ist: Es gibt genügend Ansätze, um die Warn-Apps zu verbessern. Großer Hoffnungsträger ist der sogenannte Cell Broadcast. Bundesinnenminister Seehofer hat schon entsprechende Schritte in die Wege geleitet, bis Mitte 2022 soll auch in Deutschland so ein System bereitstehen, mit dem Nutzer per Textnachricht gewarnt werden sollen.

Aber verlassen wir uns im Notfall jetzt wirklich auf SMS-Textnachrichten? Nein, Cell Broadcast ist eine ganz andere Nummer. Damit lassen sich in wenigen Sekunden Millionen Nutzer erreichen, ohne die Netze stark zu belasten.

Katwarn downloaden

Schwächen der Warn-Apps

Warn-Apps wie NINA haben ihre Berechtigung, aber auch klare Schwächen.
Warn-Apps wie NINA haben ihre Berechtigung, aber auch klare Schwächen.

CHIP

Bevor es zur Technik des Cell Broadcasts geht, zeigen wir die Schwachpunkte, die die Warn-Apps per Design haben und die sich nicht einfach durch Updates beseitigen lassen:

  • Geringe Verbreitung: Guckt man heute in die App-Store-Charts, dann taucht die NINA App dort unter den Top 10 auf. Das ist gut, unserer Meinung nach gehört eine Warn-App auf jedes Smartphone. Bisher nutzen aber nur ungefähr 10 Prozent der Deutschen eine solche App. Die Nutzerzahlen werden jetzt steigen, wir gehen aber nicht davon aus, dass die Zahlen explodieren. Um effektiv zu warnen, ist die Verbreitung der Apps also zu gering.
  • Nutzer müssen aktiv werden: Die geringe Verbreitung hängt unmittelbar damit zusammen, dass Nutzer selbst aktiv werden müssen. Vorinstalliert gibt es die Apps auf keinem Smartphone. Besonders offensiv promotet werden die Apps weder bei Apple noch bei Google in den App Stores.
  • Internet-Verbindung: Die Apps funktionieren nur bei vorhandener Internet-Verbindung. Schlechte Verbindung, überlastete Netze oder beschädigte Infrastruktur können sie nicht ab.
  • Benachrichtigungen: Warnungen werden über die Apps als Benachrichtigungen ausgespielt. Die können verloren gehen oder sie gehen in der Masse der anderen Benachrichtigungen unter. Ist das Handy stumm, kann man so eine Benachrichtigung auch einfach übersehen und in der Nacht ist das Handy vielleicht in einem anderen Zimmer beim Laden. Was dort an Benachrichtigungen ankommt, kriegen Nutzer in der Regel nicht mit.

Download: NINA - die Warn-App des BBK

Cell Broadcast: Mehr als SMS

Cell Broadcasts erscheinen auf jedem eingebuchten Handy in einem festgelegten Bereich.
Cell Broadcasts erscheinen auf jedem eingebuchten Handy in einem festgelegten Bereich.

Everbridge

Viele Menschen wundern sich über die aktuelle Diskussion. Wir haben schicke Apps, die uns je nach Standort passende Warnungen zuschicken, inklusive cooler Kartenansicht und einem bunten Strauß an zusätzlichen Features. Und jetzt soll die Lösung sein, dass wir per SMS-Textnachricht gewarnt werden?

Für die jüngeren Leser: SMS-Nachrichten waren eine große Sache bevor es WhatsApp & Co. gab. Statt Sprachnachrichten schickten wir uns lange Zeit zu Silvester kurze Texte und beobachteten dann, wie die Mobilfunknetze jedes Jahr wieder in den ersten Stunden an Neujahr zusammenbrachen. Heute kriegt man auch noch ab und zu SMS, etwa um an den Termin im Autohaus erinnert zu werden oder wenn man einen zusätzlichen PIN-Code für einen Login braucht.

Für Notfälle wird aber nicht auf die unzuverlässige SMS gesetzt, vielmehr handelt es sich beim Cell Broadcast um einen speziellen Betriebsmodus der Kurznachrichten, SMS-CB. Verschickt werden können dabei nur Texte und Links, Bilder oder Videos werden nicht unterstützt. Die komplette Adressierung erfolgt aber anders als bei normalen SMS-Nachrichten. Man braucht keine Telefonnummern, die Warnung wird als Rundnachricht an alle eingebuchten Handys übermittelt.

Cell Broadcast als Public Warning System

Per Cell Broadcast können Warnungen an alle Handys ausgespielt werden, die in bestimmten Mobilfunkmasten eingebucht sind.
Per Cell Broadcast können Warnungen an alle Handys ausgespielt werden, die in bestimmten Mobilfunkmasten eingebucht sind.

Telekom

SMS, die wir selbst verschicken, nutzen den Modus SMS-PP (Point to Point), fallen also in die Kategorie 1:1-Kommunikation. Cell Broadcast nutzt einen Versender, der sofort viele Nutzer erreicht. In der Praxis sind die Adressaten in einem geographischen Gebiet unterwegs, das über eine bestimmte Anzahl an Mobilfunkmasten abgedeckt wird. Jeder Nutzer, der mit seinem Handy in einem der Masten eingebucht ist, kriegt die Nachricht. Damit könnte man schon mal das Problem lösen, dass nicht jeder Handy-Besitzer per Warn-App erreichbar ist. Smartphones und auch ältere Handys unterstützen den Empfang der Broadcasts, ohne dass Nutzer eine App installieren oder bestimmte Einstellungen aktivieren.

Die Cell Broadcasts lassen sich mit verschiedenen Prioritäten ausspielen: So gibt es die Möglichkeit, bildschirmfüllende Nachrichten zu erzeugen, inklusive Alarmsound. Grundsätzlich sind die Meldungen je nach eingestellter Handysprache auch mehrsprachig möglich und manche Geräte lesen die Warnungen auch per Text-to-Speech vor. Besonders interessant für den Notfall sind aber Zusatzfunktionen: Der Alarm geht auch dann los, wenn das Handy lautlos geschaltet ist und es lässt sich erst wieder benutzen, wenn man die Meldung bestätigt hat.

Der große Vorteil des Broadcasts ist, dass er trotz Überlastung des Mobilfunknetze funktioniert, weil er einen priorisierten Kanal nutzt und eben nur einmal ausgesendet werden muss. Also auch, wenn Sie nicht mehr telefonieren können oder die Internet-Verbindung zusammengebrochen ist, werden Broadcasts weiter zugestellt. Vorstellen kann man sich das wie den UKW-Radioempfang. Doch es gibt natürlich auch hier Grenzen: Reißt die Flut Mobilfunkanlagen um, war es das auch mit den Broadcasts.

Diese Ländern nutzen Cell Broadcast bereits

Neben den Mobilfunknetzen sind auch Schnittstellen zu den Behörden wichtig.
Neben den Mobilfunknetzen sind auch Schnittstellen zu den Behörden wichtig.

Vodafone

Cell Broadcasts sind keine neue Technik, weil sie schon seit über 20 Jahren eingesetzt werden und viele Länder nutzen SMS-CB für ihre Notfallsysteme, etwa die USA, Japan, Israel, die Niederlande oder auch Großbritannien. Datenschutzfragen, die gern mal vorgeschoben werden, um Projekte zu verzögern, stellen sich beim Cell Broadcast auch nicht, weil schlicht keine Rückmeldungen der Geräte anfallen.

Dass ein Warnsystem mehr ist als eine Rundnachricht an ein paar Funkmasten, dürfte klar sein. Die genannten Länder haben deshalb nicht nur CB-Support in den Mobilfunknetzen, sondern jeweils ein komplettes Public Warning System aufgebaut.

Das bedeutet, es gibt Notfallzentralen, die die Warnmeldungen formulieren und diese über eigene Schnittstellen in die Mobilfunknetze einspielen. Das wurde jetzt auch in Deutschland angestoßen und es soll in einem Jahr über die Bühne gehen.

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