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Tour de France 2021: Jeden Tag ein Hauch Anarchie - sportschau.de

Vermutlich wird man sich an dieses Bild gewöhnen müssen: Tadej Pogacar im Gelben Trikot in der Abendsonne in Paris, im Hintergrund der Arc de Triomphe. Die slowenische Nationalhymne wird man dazu dann auch öfter hören. "Ich bin super happy, danke", waren Pogacars finale Worte bei dieser Tour.

Es war der zweite Toursieg des Slowenen und aller Voraussicht nach nicht sein letzter. Das ist das Gefühl mit dem die Tour de France 2021 endet. Und jetzt, da das Rennen vorbei ist, stellt sich die Frage: Was bleibt? Wo reiht sich die 108. Ausgabe der Frankreich-Rundfahrt ein in die Geschichten, Legenden und Mythen? Wovon wird man reden, wenn die Tour 2021 zur Sprache kommt?

Kein Kampf ums Gelbe Trikot

Der Kampf um das Gelbe Trikot war keiner. Tadej Pogacar war spätestens nach seinem furiosen Solo nach Le Grand Bornand auf der 7. Etappe, bei der er der Konkurrenz einfach davonfuhr, unantastbar. "Ich habe die Tour nicht gekillt", behauptete Pogacar tapfer. Aber einen ernsthaften Rivalen hatte er danach nicht mehr. Das Weiße Trikot des besten Jungprofis nahm der 22-Jährige ebenfalls mit - das gepunktete Bergtrikot auch.

Natürlich profitierte Pogacar davon, dass sein Landsmann Primoz Roglic schon auf der 3. Etappe stürzte, Zeit verlor und vier Tage später aufgab, weil die Schmerzen zu groß waren. Auch das Team Ineos-Grenadiers, das Pogacar ursprünglich mit drei Fahrern herausfordern wollte, hatte schon nach drei Tagen nur noch Richard Carapaz in der Nähe des Gelben Trikots - aber auch er war dem Slowenen nicht gewachsen.

Der Überraschungszweite Jonas Vingegaard, der beim Team Jumbo-Visma als Ersatzkapitän für den ausgestiegenen Roglic einsprang, wurde nach dem Einzelzeitfahren am Samstag gefragt, was wohl passiert wäre, wenn er von Beginn an gegen Pogacar angetreten wäre. "Ich wäre vielleicht eine Minute näher dran gewesen", sagte der 24 Jahre alte Däne, dem am Ende 5:20 Minuten auf Pogacar fehlten. "Aber grundsätzlich geändert hätte sich nichts."

"Eine völlig entfesselte Tour"

War die Tour 2021 also langweilig? Nein. Und es ist fast schon tragisch, dass genau dies einer der Gründe war, warum es keinen wirklichen Kampf um den Gesamtsieg gab. Tourdirektor Christian Prudhomme und sein Streckenplaner Thierry Gouvenou versuchen seit Jahren, die konservative Herangehensweise an die Tour zu brechen, bei der ein, zwei Teams das Rennen kontrollieren.

Diesmal ist ihnen das gelungen. Es gab nur drei Bergankünfte, dafür mehrere Etappen, die eher ein Klassikerprofil hatten, was eine offensive Fahrweise begünstigte. Roglic stürzte in einem Etappenfinale, das es den Sprinterteams bei einer nominellem Flachetappe nicht zu einfach machen sollte. Die Tourorganisatoren ernteten dafür massive Kritik und einen kurzen Fahrerstreik zu Beginn der 4. Etappe.

Doch die kleinen Gemeinheiten der Streckenführung sorgten auch für spektakuläre Rennverläufe. "Eine völlig entfesselte Tour de France", bilanzierte Tourdirektor Prudhomme im Interview mit der Sportschau. Zehn der 21 Etappen wurden in diesem Jahr von Ausreißern im Solo gewonnen. Auch der eine einzige deutsche Tagessieg durch Nils Politt gelang im Alleingang.

Bonnamour der kämpferischste Fahrer

An manchen Tagen dauerte es bis zu zwei Stunden, bis eine Ausreißergruppe stand. Attacke folgte Attacke. Es herrschte fast täglich ein Hauch von Anarchie. "Ich kann es nicht erwarten, dass das hier vorbei ist", stöhnte Julian Alaphilippe schon nach der letzten Bergetappe in den Pyrenäen.

Der Weltmeister hatte es nach seinem Sieg auf der ersten Etappe immer und immer wieder versucht, war aber gescheitert. Auch Franck Bonnamour schaffte es nicht, stand aber trotzdem in Paris auf dem Podium. Von den 3.414,4 Kilometern verbrachte der Franzose vom zweitklassigen Team Team B&B Hotels-KTM 624 Kilometer in Ausreißergruppen. Dafür kürte ihn eine Jury zum kämpferischsten Fahrer der Tour.

Cavendish und der Merckx-Rekord

Und dann war da natürlich noch die Geschichte des Mark Cavendish. Auf den Champs-Élysées verpasste der 36 Jahr alte Brite im Grünen Trikot des besten Sprinters zwar seinen insgesamt 35. Etappensieg bei der Tour.

Er muss sich den Rekord für die Anzahl der Tageserfolge also weiter mit dem legendären Eddy Merckx teilen, der es ebenfalls auf 34 Etappensiege brachte. In Paris stoppte ihn Wout Van Aert, dreifacher Etappensieger - am Fuße des Mont Ventoux, im Zeitfahren in Saint-Émilion und schließlich im Sprint. Ein kompletter Rennfahrer.

Aber dass sich Cavendish mit vier Etappensiegen in diesem Jahr noch einmal zum besten Sprinter aufschwingen konnte, damit hatte Cavendish wohl selbst nicht gerechnet. Dass er überhaupt noch einmal bei der Tour am Start stand, war eine Überraschung und nur der Absage seines Teamkollegen Sam Bennett wegen einer Knieverletzung geschuldet.

Natürlich profitierte Cavendish dabei auch davon, dass der nominell schnellste Sprinter, der Australier Caleb Ewan, schon am dritten Tag stürzte. Aber vor allem konnte sich Cavendish anders als alle anderen in den Sprints auf einen eingespielten Zug verlassen, der ihn dort absetzte, wo er als Sprinter im Finale sein musste.

Die Tränen der anderen

"Ich werde nicht weinen", versprach Toursieger Pogacar bei seiner Abschlussrede in Paris. Er hielt sein Versprechen, aber an Tränen des Glücks hat es nicht gemangelt bei dieser Tour. Nach seinem ersten Etappensieg in Fougères wurde auch Cavendish von seinen Gefühlen übermannt. Die rührendsten Tränen waren die von Mathieu van der Poel, als er am zweiten Tag ins Gelbe Trikot schlüpfte. Ein Traum, den sich sein verstorbener Großvater Raymond Poulidor, Liebling der Franzosen, nie erfüllen konnte.

Auch Matej Mohoric schluchzte nach seinem ersten Erfolg in Le Creusot, bei seinem zweiten Sieg in Libourne fuhr er dann wegen einer Polizeirazzia im Hotel seines Teams Bahrain-Victorious geradezu trotzig über die Ziellinie. Ob diese Geschichte in Erinnerung bleiben wird, erfährt man dann wohl erst nach dem Ende der Ermittlungen.

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