Ralf Rangnick verlangt künftig mehr vom kommenden Bundestrainer: mehr Präsenz vor allem. An der Arbeit von Joachim Löw bei der enttäuschend zu Ende gegangenen EM, hat er eine Menge auszusetzen. Taktik, Aufstellung - problematisch, mindestens.
Ein Bundestrainer mit Fünf-Tage-Woche - und zwar das ganze Jahr über: Geht es nach Ralf Rangnick, dann muss der Coach der deutschen Nationalmannschaft künftig deutlich sichtbarer werden. "Bundestrainer sollte ein Fulltime-Job sein", sagte Rangnick im Gespräch mit der "Süddeutschen Zeitung": "Jeden Tag zehn Stunden zur Verfügung stehen, jede Woche einen anderen Klub besuchen."
Auf diese Weise könne sich der Bundestrainer "intensiv mit den Trainern austauschen, Trainingsinhalte kennenlernen und auch frühzeitig neue Talente entdecken. Wenn der Bundestrainer unser Fußball-Kanzler ist, sollte er entsprechend Präsenz zeigen." Dies sei "gar keine Kritik an Jogi Löw, denn das wurde in den letzten 60 Jahren einfach noch nie so praktiziert. Wenn wir über Verbesserungen reden, müssen wir solche Dinge angehen."
Mit Blick auf das Achtelfinal-Aus der deutschen Mannschaft bei der EM sieht Rangnick vor allem taktische Verfehlungen. "Bei unserer Mannschaft sah alles wie irgendein zusammengewürfelter Mix aus, damit gewisse Spieler auf dem Platz stehen konnten. Aber das ergab nichts stimmiges Ganzes", sagte Rangnick: "Auf dem Niveau einer EM sollten möglichst alle elf Spieler auf ihrer 1-a-Position auflaufen. Das war bei der deutschen Elf sicher nicht der Fall."
Exemplarisch nannte Rangnick "Schlüsselspieler wie Joshua Kimmich", der als Rechtsverteidiger auflaufen musste und so nicht im defensiven Mittelfeld zur Verfügung stand. Auch dadurch sei "frühes Anlaufen nie als Muster erkennbar" gewesen: "Aggressives Ballerobern ist auch schwierig, wenn du ohne einen Krieger im Zentrum spielst. Aus den Vereinen sind es Kroos und Gündogan gewohnt, dass neben oder hinter ihnen noch ein echter Sechser steht, der beim Ball-Gewinnen stets das Messer zwischen den Zähnen hat. Bei der EM hat so einer in der deutschen Mitte gefehlt."
Rangnick selbst wird seine eigenen Ideen zum Fußball künftig anders einbringen: Er macht sich als Unternehmer selbstständig und wird auf absehbare Zeit nicht mehr als Trainer oder Sportdirektor arbeiten. "Ich gründe eine GmbH, eine Fußball-Beratung, die auf vier Säulen basiert", sagte der 63-Jährige. Diese vier Bereiche würden das abbilden, was er in den vergangenen 15 Jahren bei RB Leipzig und bei der TSG 1899 Hoffenheim gemacht habe.
Dabei gehe es seiner Aussage zufolge um "Clubbuilding" sowie um die Betreuung von Trainern, von Managern und Sportdirektoren sowie von Spielern. Dabei sei es nicht sein Ziel, eine große Agentur aufzubauen. "Mein Motto ist eher: klein, aber fein." Erster Kunde Rangnicks ist nach seinen Aussagen der russische Pokalsieger Lokomotive Moskau. "Der Klub hatte mich vor vier Monaten um eine sportliche Status-quo-Analyse gebeten. Die habe ich erstellt, und es gab dazu eine Präsentation in Moskau", berichtete er.
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