Tokio. Die Goldmedaille vor Augen wollte Fünfkämpferin Annika Schleu auch im Reiten überzeugen. Ihr Pferd streikte, sie weinte.
Bei den Olympischen Spielen von Tokio ist der Medaillentraum von Annika Schleu im Modernen Fünfkampf geplatzt. In Führung liegend, holte die 31 Jahre alte Berlinerin beim Springreiten null Punkte und fiel auf Rang 31 zurück – sie hatte die Kontrolle über das Pferd verloren, das ihr zuvor zugelost worden war.
Mehrmals schlug Schleu mit der Gerte auf das Pferd ein, um es doch noch dazu zu bewegen, den Parcours zu absolvieren. Die Reiterin selbst weinte dabei, denn sie sah ihre Medaillenhoffnungen platzen.
Bundestrainerin animierte zu noch mehr Schlägen
Im Netz sorgten diese Szenen aus der Reit-Arena für hitzige Diskussionen. Teilweise heftig wurde Schleu für ihre vielen Schläge kritisiert. "Schleu zeigt, wie man mit einem Pferd nicht umgehen darf", heißt es etwa. Viele Nutzer sprachen von Tierquälerei und selbst ARD-Moderator Alexander Bommes sagte nach den dramatischen Szenen: "Bei dem großen Mitgefühl für Annika Schleu war das natürlich in der Konsequenz aber auch aus Tiersicht verstörend und bedarf sicherlich großer Aufarbeitung später."
Kritik gibt es auch an Bundestrainerin Kim Raisner, die die Athletin mehrfach dazu aufforderte, das Pferd zu schlagen. „Hau richtig drauf, hau“, war über die Außenmikrofone für die TV-Zuschauer deutlich zu hören. Schleu setzte die Gerte ein, rammte dem Pferd die Sporen in die Seiten, aber nichts bewegte das völlig verstörte und durch die unangemessene Behandlung zusätzlich in Panik geratene Tier dazu, sich zu bewegen.
Isabell Werth: "Denen kann man genauso gut ein Fahrrad geben"
Die siebenmalige Olympiasiegerin Isabell Werth sieht sich nach den skandalösen Vorfällen im Modernen Fünfkampf in ihrer Meinung bestätigt. „Fünfkampf hat nichts, aber auch gar nichts mit Reiten zu tun“, sagte Werth der Nachrichtenagentur SID: „Die Pferde sind ein Transportmittel, zu denen die Athleten keinerlei Bezug haben. Denen kann man genauso gut ein Fahrrad oder einen Roller geben.“
„Die Fünfkampf-Pferde werden kurz vor der Entscheidung mit einem Transporter ins Stadion gekarrt, kein Reiter hat sie vorher gesehen“, sagte Werth weiter. "Es ist keine gewachsene Beziehung, wie sie in diesem Sport mit diesen sensiblen Lebewesen nötig ist. Die Pferde sind hier nur Mittel zum Zweck.“
DOSB fordert Regeländerungen im Modernen Fünfkampf
Der Deutsche Olympische Sportbund forderte nach den Bildern der mit einer Gerte auf ihr Pferd einschlagenden Fünfkämpferin Annika Schleu Regeländerungen. „Zahlreiche erkennbare Überforderungen von Pferd-Reiter-Kombinationen sollten für den internationalen Verband dringend Anlass dafür sein, das Regelwerk zu ändern“, schrieb der DOSB in einer Stellungnahme. „Es muss so umgestaltet werden, dass es Pferd und Reiter schützt. Das Wohl der Tiere und faire Wettkampfbedingungen für die Athletinnen und Athleten müssen im Mittelpunkt stehen.“
Schleu-Drama: Deutsche Fünfkämpferinnen erleben Deja-vu
Schleus Rückstand auf die Medaillenränge vor dem abschließenden Laser Run betrug rund 260 Punkte. Bis zur vorletzten Disziplin hatte die Berlinerin souverän in Führung gelegen und den Olympia-Sieg angestrebt - nach dem Reiten rutschte sie in der Gesamtwertung auf Platz 31. Dabei blieb es auch. Auch Teamkollegin Rebecca Langrehr büßte einige Plätze ein und kam am Ende auf Platz 28.
Für die deutschen Modernen Fünfkämpferinnen ist es nicht der erste misslungene Ritt bei Sommerspielen. Lena Schöneborn beendete in Rio de Janeiro vor fünf Jahren das Springreiten ebenfalls mit null Punkten und rannte anschließend verheult aus dem Stadion. (fs mit dpa)
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