Ab 18. November im Kino:
»Ghostbusters: Legacy«
Fortsetzungsfilme folgen oft dem Prinzip, dass alles so ähnlich sein sollte wie zuvor, nur größer. Doch wie will man den Marshmallow Man überbieten, ein Monster aus Schaumzucker, das so hoch wie ein Wolkenkratzer ist und bei jedem Schritt die Straßen von New York erbeben lässt? Den Zuschauern des allerersten »Ghostbusters«-Films führte er 1984 drastisch vor Augen, wie gefährlich Süßkram sein kann. Die beiden folgenden Teile der Reihe 1989 und 2016 scheiterten beim Versuch, dieses Spektakel zu toppen.
Ivan Reitman, der die Story um ein paar schrille Geisterjäger 1984 auf die Leinwand brachte, und sein Sohn Jason, der nun bei »Legacy« Regie führte, machen deshalb bei der aktuellen Wiederauflage alles ein paar Nummern kleiner. Statt in Manhattan spielt die Geschichte in der Provinz, Marshmallows treten zwar erneut auf, aber nur als Minimonster, die man in die Tasche stecken kann.
Szenenbild mit Marshmallow-Männern aus »Ghostbusters: Legacy«
Foto: Courtesy of Sony PicturesLeider wurde auch der Humor minimiert. Der bereits vor der Pandemie gedrehte Film, der jetzt im Kino anläuft, wirkt bisweilen wie ein Sozialdrama. Er handelt von einer Familie, die wegen Mietschulden aus ihrer Wohnung fliegt und in ein verfallenes Geisterhaus ziehen muss. Dan Aykroyd und Bill Murray, »Ghostbusters«-Stars der ersten Stunde, absolvieren unoriginelle Kurzauftritte. Nun also eher weihevolles Pathos statt zotiger Scherze, doch das fühlt sich am Ende viel klebriger an als der lustig explodierende Marshmallow Man im ersten Film. Lars-Olav Beier
»Ghostbusters: Legacy« USA 2021. Regie: Jason Reitman, Buch: Gil Kenan, Jason Reitman. Mit: Carrie Coon, Finn Wolfhard, Sigourney Weaver. 124 Minuten
»Große Freiheit«
Ein Film mit einem Thema, aber kein Themenfilm: Das gelingt im deutschsprachigen Kino nur selten. »Große Freiheit« von Sebastian Meise ist die grandiose Ausnahme von der Regel, der Film erzählt von der Kriminalisierung Homosexueller durch den Paragrafen 175 des Strafgesetzbuchs der BRD und kriegt gleichzeitig eine ganz zarte Liebesgeschichte zu fassen.
Franz Rogowski in »Große Freiheit«
Foto: Piffl MedienNoch unter den Nazis verurteilt, muss »der 175er« Hans (Franz Rogowski, für diese Rolle gerade für den Europäischen Filmpreis nominiert) auch unter den Alliierten und später in der BRD immer wieder ins Gefängnis – einfach, weil er schwul ist. Während der Jahre im Knast begegnet er dem verurteilten Mörder Viktor (Georg Friedrich). Erst lehnt auch Viktor Hans ab, doch die Zeit zersetzt die Vorurteile und macht Platz für Gefühle, die sich allen inneren und äußeren Widerständen zum Trotz zu etwas Großem entfalten – unter anderem auch großem Kino. Hannah Pilarczyk
»Große Freiheit« AT/D 2021. Regie: Sebastian Meise, Buch: Sebastian Meise, Thomas Reider. Mit: Franz Rogowski, Georg Friedrich, Anton von Lucke, Thomas Prenn. 116 Minuten
»JFK Revisited«
Sehr bald brummt einem der Schädel angesichts der unfassbar vielen Namen, mit denen uns Regisseur Oliver Stone in seinem Film »JFK Revisited: Die Wahrheit über den Mord an John F. Kennedy« konfrontiert: Zeugen, Verwandte von Zeugen, Kolleginnen von Zeuginnen und Scharen von Experten treten sich vor der Kamera fast gegenseitig auf die Füße. Eine beachtliche Konzentration also verlangt Stone bei seinem neuen Versuch, die vielen Unstimmigkeiten bei der Aufklärung des Attentats auf Präsident Kennedy am 22. November 1963 in Dallas nachzuweisen. Doch es ist eben Stones Lebensthema, das er hier in eine maximal verdichtete, fast zwei Stunden lange Dokumentation packt; vor 30 Jahren hatte er darüber einen Spielfilm mit Kevin Costner gedreht.
US-Präsident John F. Kennedy kurz vor dem Attentat in Dallas, 22. November 1963
Foto: National Archives / DCMNun wird Beleg um Beleg aufgetürmt, um auch den letzten Zuschauer zu überzeugen, dass der tödliche Kopfschuss auf Kennedy von vorn gekommen sein muss und Lee Harvey Oswald nicht der alleinige Täter sein kann. Immer wieder bekommt man den 75-jährigen Oscarpreisträger Stone im Laufe des Films zu sehen, wie er Interviewpartnern Fragen stellt und etwas ratlos Orte des damaligen Geschehens aufsucht – aber er zieht eben auch etliche Dokumente heran, die erst im Laufe der vergangenen Jahre freigegeben wurden und ein neues Licht auf den Fall werfen.
Am Ende dieses anstrengenden, zugleich aber spannenden Films hat der Zuschauer das Gefühl, dass die CIA Anfang der Sechzigerjahre so etwas Ähnliches wie die Cosa Nostra gewesen sein muss – nur schlimmer. Lars-Olav Beier
»JFK Revisited: Die Wahrheit über den Mord an John F. Kennedy« USA 2021. Buch und Regie: Oliver Stone nach dem Sachbuch von James DiEugenio. Mit: Donald Sutherland und Whoopie Goldberg als Erzähler. 115 Minuten
Ab jetzt im Streaming und in den Mediatheken:
»Ein Polizei-Film« (auf Netflix)
Auf Streife mit einer Polizistin in Mexiko-Stadt. Ein Notruf hat sie erreicht, eine Schwangere braucht Hilfe bei der Geburt, aber wie so oft kommt kein Krankenwagen. Die Beamtin muss sich nicht nur einer Situation stellen, für die sie keinerlei medizinische Ausbildung hat, sie muss auch das Misstrauen der Familie gegenüber der Polizei überwinden.
Der Zuschauer ist Teil der dramatischen Situation, die Bilder im Breitwandformat wirken überhöht, wie aus einem Spielfilm. Aber »Ein Polizei-Film« wechselt die Perspektive bald dramatisch: dann sind zwei Schauspieler zu sehen, die sich auf ihre Rollen als Polizisten vorbereiten. Und schließlich kommen die beiden Beamten selbst zu Wort, deren Reflexionen über den Dienst zuvor die Schauspieler gesprochen haben.
Szene aus »Ein Polizei-Film«
Foto: Netflix»Ein Polizei-Film«, der in diesem Jahr bei der Berlinale zu sehen war und den nun Netflix zeigt, beschäftigt sich nicht nur mit dem herausfordernden Alltag von Gesetzeshütern in einer problembeladenen Metropole. Die Mischung aus Doku und Spielfilm ist auch eine Meditation über die Mechanismen filmischen Erzählens selbst, die auf bezwingende Weise die Illusion eines in sich geschlossenen Werks aufbricht. Oliver Kaever
»Ein Polizei-Film« Mexiko 2020. Regie: Alonso Ruizpalacios, Buch: David Gaitán, Alonso Ruizpalacios. Mit: Leonardo Alonso, Mónica Del Carmen, Raúl Briones. 107 Minuten
»Vom Nachteil geboren zu sein« (in der ZDF-Mediathek)
Unter dem Titel »The Trouble with Being Born« hat der zweite Spielfilm der österreichischen Regisseurin Sandra Wollner im vergangenen Jahr einen beeindruckenden Lauf hingelegt: Österreichischer Filmpreis für den besten Spielfilm und die beste Regie, Jurypreis bei der Berlinale 2020, First Step Award, vier Diagonale-Preise. Nur als der Film endlich im Sommer in die Kinos kam, ging er im Vergleich zu Maria Schraders thematisch ähnlich gelagertem »Ich bin dein Mensch« leider unter.
Lena Watson als Android Emil in »Vom Nachteil geboren zu sein«
Foto: Panamafilm Timm Krˆger / Timm Kröger / ZDFNun steht einer der bemerkenswertesten deutschsprachigen Filme der jüngsten Vergangenheit zum Nachholen in der ZDF-Mediathek bereit – und entfaltet in den eigenen vier Wänden, wo man umgeben ist von auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmter Technik, vielleicht noch mal mehr seinen herrlich verstörenden Reiz. In »Vom Nachteil geboren zu sein« lässt Wollner nämlich kinderähnliche Androiden auffahren, die ihren Besitzern zu allen erdenklichen Diensten stehen. Ihre wächsernen Gesichter sind nicht besonders ausdrucksstark, aber das macht sie nur noch mehr zur bizarren Projektionsfläche für Gewalt und Begehren.
Nach diesem Film weiß man nicht mehr, wovor man mehr Angst haben sollte: vor Menschen oder Maschinen. Hannah Pilarczyk
»Vom Nachteil geboren zu sein« AT/D 2020. Regie: Sandra Wollner, Buch: Roderick Warich, Sandra Wollner. Mit: Dominik Warta, Ingrid Burkhard, Jana McKinnnon. 94 Minuten
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