Karl Lagerfeld konnte eine spitzzüngige Plaudertasche sein, doch wusste er dabei eine strikte Aura der Unnahbarkeit zu wahren. Jeder kannte seine Erscheinung, die dunklen Anzüge, der hohe, gestärkte Kragen, der weiße Zopf. Hinter dieser Fassade blieb der gebürtige Hanseat und Wahlfranzose für viele ein wandelndes Geheimnis. Am liebsten hätte er, geboren 1933, sogar die Wahrheit über sein Alter mit ins Grab genommen.
Nun wird der Hausrat des 2019 verstorbenen Modeschöpfers versteigert. Natürlich kommt nicht alles unter den Hammer, sondern nur Ausgewähltes, davon aber jede Menge, mehr als tausend Einzelstücke aus gleich vier Wohnsitzen und einer Art Büro. Für die acht Auktionen mit dem gemeinsamen Titel »Karl« engagierte der Nachlassverwalter Sotheby's. Einiges wird online angeboten, das meiste live. Am Freitag geht es in Monaco los, dort besaß der mit der Fürstenfamilie eng verbundene Lagerfeld eine Wohnung. Mitte des Monats folgen Versteigerungen in Paris, nächstes Jahr noch einige in Köln.
Porzellan von Meißen: Unerwarteter Großelterngeschmack
Foto: West Image / Sotheby'sBeim Durchblättern der Kataloge lässt sich auf jeden Fall mehr darüber erfahren, wie der Privatmensch Lagerfeld so lebte, nämlich recht museal. »Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren«, lautet einer seiner berühmtesten Sprüche. Seine Unterkünfte richtete er ganz klar im Anti-Jogginghosen-Stil ein, in seinem Haus in Louveciennes bei Versailles fallen die gerafften Gardinen ins Auge. Und obwohl er ja gerne Cola trank – eingelagert wurde teurer Rotwein, der Château Lafite Rothschild sogar in Drei-Liter-Flaschen, die jetzt wieder zu Geld gemacht werden.
In Monaco ließe sich außerdem dieses ersteigern: Tischdecken, auch welche mit Spitze, Silberbesteck, altes Meißen, Wedgwood, und jede Menge weiteres Geschirr, mehrere Kronleuchter, ein Baldachinbett aus dem 18. Jahrhundert, dazu klobige Polstergarnituren, zierliche Stühle, beschauliche Gemälde, historische Plakate, viele, viele Koffer, diverse Rolls-Royces zum Preis von jeweils mehreren Hunderttausend Euro.
Anzug der Marke Saint Laurent Paris: Nur Ausgewähltes, davon aber jede Menge
Foto: WestImage - Art Digital Studio / Sotheby'sEtliches entspricht einem Großelterngeschmack, den man so nicht von Lagerfeld erwartet hätte. Wie bloße Staubfänger wirken die Tischlampen, deren Schirmchen Fransen tragen. Und der »Posten Alligatorlederwaren, ca. 1950-1960« dürfte auch politisch nicht mehr ganz korrekt sein. Zu den lässigeren Objekten gehört ein erfreulich buntes und auf 80.000 bis 120.000 Euro taxiertes Porträt des Japaners Takashi Murakami, das den Modeschöpfer zeigt – der überhaupt viele Abbilder seiner selbst sammelte, bis hin zu diversen Spielzeugfiguren.
Doch so viele weitere ironische Brüche erlaubte er sich gar nicht. Mit den Jahren veränderte sich sein Stil, wurde zeitweise auch moderner, unterkühlter, dann wieder traditioneller, immer aber umgab er sich mit Dingen, die gediegen bis repräsentativ waren. Selbst die zum Verkauf stehenden verchromten Hanteln von Aston Martin sehen aus wie bloße Requisiten eines exklusiven Lebens.
Hanteln von Aston Martin: Bloße Dekoration?
Foto: West Image / Sotheby'sDas alles muss raus und noch mehr, auch die Gartenmöbel und sogar das, was Lagerfeld selbst am Körper trug. Jede Menge dunkle Jacketts und Kurzfinger-Handschuhe, auch ein mit nachtblauen Pailletten bestickter Hausmantel. Das wirkt dann doch zu sehr wie Flohmarkt und das hätte dem einstigen Besitzer sicher nicht gepasst.
Lagerfeld überhöhte sich gerne, manchmal geschah das, indem er lästerte, etwa über Heidi Klum, oder über ganz Berlin. Ging es um ihn und seine Mode, dachte er stets groß. Für seine Chanel-Schauen ersann er immer neue Bühnenbilder, verwandelte die riesige Halle des Pariser Grand Palais zum Flughafen oder zum Casino, einmal hob eine gigantische Rakete ab und ging (einige Meter) in die Höhe. Immer wieder ließ er sich von anderen Leitmotiven inspirieren, und er richtete sich auch immer wieder Unterkünfte ein, von denen er nicht wenige auch wieder abstieß. Sein Leitmotiv war es, sich immer wieder neu zu erfinden, aber hat er das eigentlich wirklich? Er stammte aus großbürgerlichem Haus und das drückte er auch mit den Einrichtungen aus.
Lagerfeld-Wohnsitz nahe Versailles: Der Anti-Jogginghosen-Stil
Foto: Louis Blancard / Sotheby'sIn seinen letzten Jahren hatte der Modemacher dann doch eine weichere, irgendwie menschlichere Seite gezeigt, und das lag an seinem Haustier, der Birmakatze Choupette. Der Legende nach wurde Lagerfeld einst von einem befreundeten Männermodel gebeten, auf die damals junge Katze aufzupassen – und mochte sie dann nicht mehr herausrücken. Er reiste mit ihr, ließ sich mit ihr fotografieren, baute sie ebenfalls zum Model auf. Choupette schaffte es sogar auf die Titelseite der »Vogue«. Nach wie vor ist sie ein Social-Media-Star, hat 100.000 Anhänger allein auf Instagram. Heute kümmert sich wohl vor allem die ehemalige Haushälterin Lagerfelds um das Tier.
Noch immer ist es ein Mysterium, wer alles im Testament bedacht wurde und welche Rolle Choupette auch da spielt. Der zuständige Nachlassverwalter hielt es auf jeden Fall für eine gute Idee, ihren Ruhm für die Auktionen zu nutzen. Sie musste sich von Kissen trennen, die laut Stickerei ihr gehörten: »Ici, c’est la place de Choupette.«
Die Organisatoren wollen Lagerfeld sympathisch wirken lassen, aber keineswegs bescheiden. Auf seiner Website hat der Versteigerer ein Interview mit Topmodel Claudia Schiffer veröffentlicht, die sich an einen Kampagnendreh in Monaco so erinnert: Man habe »uns mittags ein Picknick an einem Kieselstrand serviert, und zwar mit vollem Silberservice von Karls Butler Frédéric, der übrigens zur ›Familie‹ gehörte«.
Manche Vertraute blieben, andere gingen, einige schrieben mittlerweile Bücher, die Titel lauten »Merci, Karl«, »Karl et moi«, »Ça va, cher Karl?«
Man kann nicht nur Erinnerungsstücke, sondern auch die Erinnerungen selbst zu Geld machen.
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