Klamauk macht immer dann Spaß, wenn die Beteiligten ihn auch ernst nehmen. Gesucht werde Diana, sagt ein Mann in einem War-Room-mäßigen Multibildschirm-Zimmer mit todernster Miene. »Man kennt sie als Diadem-Lori«, fährt er fort, und dieser ohnehin schon ziemlich witzige Satz wird noch ein bisschen witziger, weil er eben von General Erich Vad, dem ehemaligen Sicherheitsberater von Angela Merkel, gesprochen wird.
Zehn Prominente sind im neuen Amazon-Format »Celebrity Hunted« von einem gemeinsamen Startpunkt in Hamburg aus quer durch Deutschland auf der Flucht, allein oder in Zweierteams. Verfolgt werden sie von echten Profilern, Cyberanalysten, Verhaltensexpertinnen und anderem kriminologischem Fachpersonal. Pro Tag hat jeder der Gejagten nur 50 Euro zur Verfügung, die obendrein an einem Geldautomaten gezogen werden müssen, was die Entdeckungsgefahr naturgemäß erhöht. Bei der professionellen Fahndung werden nämlich, so der leicht stelzige Vorspann, »Befugnisse des Staates nachgebildet«, automatische Kennzeichenerkennung, Handy- und Videoüberwachung zum Beispiel. Wer sich zehn Tage lang erfolgreich vor den Profis verbirgt, gewinnt.
Natürlich ist es allein schon herrlich quatschig, wie das Kriminalistenteam inszeniert wird: Jeden Moment glaubt man, in den Headquarter-Szenen den klassischen Düp-düp-Düdüüü-Telefonklingelton der »Counter Terrorist Unit« aus der Serie »24« zu hören, so sehr entspricht die »Celebrity Hunted«-Ikonografie dem Set der Serie. Ein Fachmann ähnelt dann auch tatsächlich rein äußerlich dem »24«-Charakter Morris O’Brian, dem Ehemann von Chloe O’Brian, die Älteren werden sich erinnern. Das alles ist natürlich ein bisschen albern, aber eben auch gut gemacht, wie auch das im Kern simple Catch-me-if-you-can-Konzept, das sich schnell erschließt.
Stefanie Giesinger überlistet ihre Gegner mit einem Verkleidungsmanöver
Foto: AmazonDie Formatidee stammt aus Großbritannien, es gibt bereits französische und italienische Adaptionen, und ähnlich wie beim Amazon-Erfolgsformat »LOL: Last One Laughing« steht und fällt die Unterhaltsamkeit natürlich mit der Auswahl der flüchtigen Promis. In der deutschen Premiere scheint sie gelungen, soweit man das nach den ersten zwei Folgen sagen kann: Die taktisch womöglich noch nicht wirklich ausgebufften Influencerinnen Diana und Melisa, aber auch der strategisch augenscheinlich höchst motivierte Boxweltmeister Wladimir Klitschko, Rapper Summer Cem und Schauspieler Kida Khodr Ramadan, die sich beim Fliehen bitte nicht stressen lassen wollen, und Sängerin Vanessa Mai samt Ehemann Andreas Ferber, die ihren Ehrgeiz und Siegeswillen direkt selbst unsympathisch findet, das bietet Potenzial für interessante Gegenschnitte.
Mopedflucht nach Horst
»Celebrity Hunted« erzählt viele kleine Geschichten, das macht das Format überraschend unterhaltsam. Denn interessanter als die im Detail nicht immer wirklich nachvollziehbaren Aufspürversuche der Profis – wie genau sind sie jetzt wieder an diese Aufnahmen aus der Überwachungskamera eines DB-Fernzuges gekommen? – sind die unterschiedlichen Untertauch-Strategien der einzelnen Teams, die jeweils ihren eigenen Plot mit individueller Stimmungsfarbe stricken.
Tom Beck und Axel Stein auf der Flucht
Foto: AmazonMan folgt den Schauspielern Tom Beck und Axel Stein dabei, wie sie scheinbar planlos ihre Flucht auf einem trötigen Moped antuckern und selbst darüber lachen müssen, als sie irgendwann unter einem Bushaltestellenschild in der Gemeinde Horst stehen – passt zu ihnen, befinden sie. Man schaut Summer Cem und Kida Khodr Ramadan bei ihrer eher gediegenen Fluchtvariante zu, deren Dialoge an eine klassische Hänger-Gaunerkomödie erinnern: »Mate hab ich nie verstanden, Bruder.« Und freut sich mit Model Stefanie Giesinger, die ihre Flucht als smarte Verkleidungskomödie anlegt, über ihr gelungenes Tarn- und Täuschungsmanöver, mit dem sie ihre Verfolger abschütteln kann, weil die ihre Cleverness wohl unterschätzt hatten.
»Stark wie ein Bär, agil wie ein Oktopus«
Fernsehen gelingt immer dann, wenn es Platz für die Zuschauenden lässt. In »Celebrity Hunted« gibt es viele Lücken, in die man sich selbst reindenken kann: Mit welchem Team wäre man am liebsten auf der Flucht? Wie würde man als Gegenspieler die Verfolgung angehen – und wen würde man selbst, wieder auf der anderen Seite, als seinen Fluchthelfer wählen?
Ein Running Gag ist bei alledem Klitschkos Ehrgeiz, möglichst viele, möglichst abstruse Fortbewegungsmittel zu nutzen. Die Offstimme sagt den wunderschönen Satz »Doktor Wladimir Klitschko besitzt alle erdenklichen Führerscheine«, der nicht gelogen scheint, und so ist er in der Luft und unter Wasser unterwegs wie ein mobilitätsflexibler Bond-Schurke – oder, wie er selbst sagt: »Stark wie ein Bär, agil wie ein Oktopus.« Wenn er sich nicht irgendwann im Laufe der sechs Folgen in einem Flughörnchenanzug von einem hohen Gebäude stürzt, wäre das eine echte Enttäuschung.
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