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Sabine Neuß: „Ich hinterfrage immer wieder“: Die einzige Technik-Vorständin im MDax über ihr Erfolgsrezept - Handelsblatt

Düsseldorf Sabine Neuß hätte auch Journalistin werden können. Ihr Erfolgsrezept, an die Technikspitze eines der größten deutschen Familienunternehmen, der im MDax notierten Jungheinrich AG mit mehr als 3,8 Milliarden Euro Umsatz und 18.000 Mitarbeitenden zu kommen, war die oftmals „unangenehme Aufgabe, Aussagen kritisch zu durchleuchten“, sagt sie. „Ich stelle immer Fragen, die drei bis fünf thematische Ebenen beinhalten. Wenn es auf der ersten Ebene schon argumentativ wackelig wird, muss man handeln.“

Die 53-Jährige ist auf ihrem Posten eine Ausnahmeerscheinung. Noch immer gibt es wenige Frauen in Führungspositionen großer Konzernen und Familienunternehmen. Laut einer Erhebung der Beratungsgesellschaft EY ist 2021 zwar die Zahl weiblicher Topmanagerinnen bei den 160 Unternehmen in Dax, SDax und MDax um 20 auf 94 gestiegen.

Ihr Anteil erreichte mit 13,4 Prozent einen neuen Rekordwert. Aber es sind noch immer 52 Firmen dabei, in deren oberster Führungsriege keine einzige Frau arbeitet.

Schaut man speziell auf die Technikverantwortlichen, wird die Suche noch schwieriger. So ist beim Staatskonzern Deutsche Bahn mit Daniela Gerd tom Markotten eine Frau im Vorstand für Technik zuständig, bei den Dax-Konzernen sind Claudia Nemat bei der Deutschen Telekom, Melanie Maas-Brunner bei BASF und Grazia Vittadini bei Airbus in dieser Position.

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Laut der EY-Untersuchung sind die meisten Spitzenmanagerinnen, knapp 30 Prozent, für Personal zuständig, gefolgt von den Finanzen. Bei den Technikvorständinnen, so ergab es eine Nachfrage des Handelsblatts bei EY, ist Sabine Neuß die einzige im MDax.

Sabine Neuß wollte Wirtschaft und Technik verbinden

Und es ist auch offen, ob die Quote mittelfristig deutlich steigen wird. Nur wenige Frauen interessieren sich so sehr wie Neuß für technische Zusammenhänge und bleiben auch dran, wenn es schwierig wird: „Ich habe mir immer viel Zeit fürs Verstehen genommen“, lautet ihre Erklärung.

Der unbedingte Wille, alles durchdringen zu wollen, trieb die Managerin schon früh um. Sie studierte in Coburg Maschinenbau, startete ihre Karriere beim Autozulieferer Brose und übernahm bereits zu Beginn der 1990er-Jahre Leitungsfunktionen.

Doch sie wollte Technik und Wirtschaft gern verbinden und studierte berufsbegleitend Wirtschaftsingenieurwesen. Ihre Haltung ist klar: „Auch die beste Technik muss sich betriebswirtschaftlich rechnen, sonst ist sie nutzlos.“

Nach weiteren Stationen bei Autozulieferern war sie beim Staplerhersteller Kion fünf Jahre lang für die Produktion verantwortlich. Bereits 2018 stand fest, dass sie 2020 bei Jungheinrich starten würde. Wegen einer Konkurrenzklausel musste das 1953 in Hamburg gegründete Familienunternehmen zwei Jahre auf sie warten.

>> Lesen Sie hier: Fast jeder zweite neue Dax-Vorstand ist weiblich: Was die Frauenquote bewirkt – und was nicht

Und dort wartete man gern. Schließlich war schon damals klar, dass nach der Frauenquote für Aufsichtsräte auch die Vorstände börsennotierter Gesellschaften diverser werden mussten. Im Sommer 2021 ist das Zweite Führungspositionen-Gesetz in Kraft getreten. Danach müssen börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen mit mehr als 2000 Beschäftigten und mehr als drei Vorständen künftig bei Nachbesetzungen sicherstellen, dass sie mindestens eine Frau im Vorstand haben.

Die Anerkennung ist eine relevante Größe in der Technikwelt

Neuß habe ihre Neugier an allen beruflichen Stationen nicht verloren und brenne für ihre Aufgaben, beschreiben sie Wegbegleiter. Er schätze „insbesondere ihre Energie, ihren Pragmatismus und natürlich den hohen Grad an Kompetenz“, sagt ihr für den Vertrieb zuständiger Vorstandskollege Christian Erlach. Dabei sei ein hohes Einvernehmen zwischen Technik und Vertrieb nicht immer selbstverständlich.

Offenbar ist nicht nur Kompetenz, sondern vor allem auch deren Anerkennung ein wichtiger Erfolgsfaktor, bestätigt ein Berater, der nicht genannt werden will. Er kritisiert, vor allem der Maschinenbau sei „in weiten Teilen noch ein Männerverein“. Zugleich sehe man aber auch, dass „Alibifrauen“ keine Lösung seien. Befördere man Frauen aus dem mittleren Management zu früh nach ganz oben, sei die Gefahr des Scheiterns groß. Und dadurch fühlten sich Männer dann in ihrer Ablehnung bestätigt.

Sabine Neuß, seit 2014 außerdem Mitglied im Aufsichtsrat des Autozulieferers Continental, ist alles andere als eine Alibifrau. Aber sie sieht in der Technik schon eine Männerdomäne, nur eine weitere Kollegin ist Mitglied ihres Führungsteams.

Produktion bei Jungheinrich in Norderstedt

Das Technikressort ist in deutschen Unternehmen immer noch eine Männerdomäne.

(Foto:&#160dpa)

Und ihre Ansprüche sind hoch. Damit in Besprechungen niemand peinlich berührt dasteht, müssten alle insgesamt deutlich tiefer einsteigen, um Sachverhalte zufriedenstellend darstellen zu können, findet Neuß. „Indem ich immer wieder vieles hinterfrage, erreiche ich eine neue Transparenz.“ Probleme würden so viel schneller nach oben gespült und könnten frühzeitig angegangen werden.

Zu ihren Aufgaben gehört auch, sich Zukunftsfragen zu stellen. So will Jungheinrich künftig mehr gebrauchte Stapler qualitativ hochwertig aufarbeiten. Erst vor wenigen Tagen wurde ein Werk dafür in Rumänien eröffnet. Neuß muss klären: Wie viel Recyclingmaterial kann man verbauen? Wie viel Nachhaltigkeit steckt bereits in der Produktidee? Wie ändert sich die Kostenstruktur durch die CO2-Abgaben?

„Das haben wir früher nicht ausreichend tief beachtet“, stellt sie kritisch fest. Derzeit verwendet sie aber auch gut ein Viertel ihrer Arbeitszeit auf das Thema Lieferketten, denn die Bänder der Kunden sollen nicht stillstehen.

Wie viele Frauen dem Beispiel von Neuß folgen werden, ist ungewiss: Ihr Einsatz ist hoch, die Freizeit für die verheiratete Opernliebhaberin gering, zumal sie den Ehrgeiz hat, die Fabriken regelmäßig zu besuchen.

„Die Demografie lässt die Stühle wackeln“

Jürgen van Zwoll, Partner bei der Personalberatung Odgers Berndtson, schätzt, dass derzeit nur rund fünf Prozent der Technikpositionen auf der obersten Führungsebene der deutschen Unternehmen von Frauen besetzt sind. Er sieht zwei Trends: Einerseits würden in den kommenden Jahren viele Positionen frei, weil die bisherigen Technikvorstände das Rentenalter erreichen. „Die Demografie lässt die Stühle wackeln“ sagt er.

Andererseits brauche es womöglich noch fünf bis zehn Jahre, bis sich sichtbar etwas ändert. Er verweist auf die Bemühungen der US-Eliteuniversität MIT, die bereits vor 20 Jahren damit begonnen habe, mehr junge Frauen für technische Studiengänge zu begeistern. „Hierzulande sind es höchstens zehn Prozent weibliche Studierende, die in den Maschinenbau-Hörsälen sitzen.“

Wenn die Unternehmen selbst aktiver würden und das auch kommunizierten, dann könnten sie dem sich immer weiter verschärfenden Fachkräftemangel begegnen. „Jungheinrich macht da bereits viel, um möglichst Mädchen und jungen Frauen für Technik zu begeistern“, sagt der Berater. Das ist auch notwendig, denn Sabine Neuß erklärt: „Wenn man zu lange das Gleiche tut, verliert man an Schlagkraft und wird betriebsblind.“

Mehr: Diskriminierung von Frauen? Doch nicht bei uns, meinen viele Manager

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