Seit zwei Jahren begleitet uns die Coronapandemie. Schüler und Studierende gehören zu den Hauptleidtragenden. Lernen in Präsenz ist in den vergangenen Jahren kaum möglich gewesen.
Hann. Münden / Nienburg - Auch die Polizeiakademie Niedersachsen stand vor großen Herausforderungen. Im Januar 2021 haben wir schon einmal mit Akademieleiter Carsten Rose über das Polizeistudium während der Pandemie gesprochen. Ein Jahr später hat sich einiges getan.
Herr Rose, im Interview vor einem Jahr haben Sie die Schwierigkeiten in der Anfangszeit der Pandemie beschrieben. Was hat sich seitdem verändert?
Wir haben uns mittlerweile gut mit der Situation arrangiert. In vielen Bereichen arbeiten wir jetzt sicherer und professioneller. Abläufe sind klarer. Außerdem haben wir die technische Ausstattung für die digitale Lehre verbessert. Wir haben jetzt zum Beispiel sehr viel stabilere Systeme und mehr Server- und Datenvolumen. So können über 1000 Studierende zeitgleich im digitalen Raum arbeiten, ohne dass das System abstürzt.
Welche technischen Neuerungen gab es denn genau?
Vor ungefähr einem Jahr hat die Akademie den Lehrenden einen zweiten Bildschirm zur Verfügung gestellt. Teilweise haben wir mobile Hotspots angeschafft, etwa für den Fall, dass das Wlan nicht ausreicht. Die Hörsäle haben wir mit Kamera- und Bildschirmwagen mit Internetzugang ausgestattet. So kann man aus dem Hörsaal heraus oder hinein streamen. Das wird im Moment intensiv genutzt.
Sie arbeiten jetzt auch mit VR-Technik, wie sind die Erfahrungen?
Wir haben die VR-Technik (Virtuelle Realität: Artikel unten) nach einer Pilotierung im Oktober letzten Jahres im normalen Lehrplan verankert. Unsere Grundphilosophie besagt ja schon lange, dass sich Lehre verändern muss. Zum Beispiel hin zu mehr digitalen Formaten. Bei der VR-Technik können die Studierenden in simulierte Szenarien eintauchen. Sie begeben sich virtuell in eine Einsatzlage und können die Lage interaktiv lösen. Das ist eine gute Ergänzung für praktische Trainings, aber kein Ersatz. Es ist gut geeignet, um Theorie und Praxis zusammenzubringen.
Wie läuft gerade der Unterricht ab? In Präsenz oder von Zuhause aus?
Die theoretischen Inhalte finden nahezu ausschließlich online statt. Die praktischen Inhalte finden meist in Präsenz statt. Das Schusswaffentraining zum Beispiel kann man ja nicht digital absolvieren.
Wie ist die Aufteilung? 50 Prozent Theorie und 50 Prozent Praxis?
Das ist abhängig von den Jahrgängen. In der ersten Zeit an der Akademie gibt es sehr viele praktische Trainings. Bei den Studierenden, die im letzten Jahr sind, kommt es auch mal vor, dass sie zwei Wochen nur von Zuhause aus arbeiten. Die Jüngeren hingegen sind ein bis zweimal pro Woche an der Akademie. Das Gesamtstudium besteht aber in etwa aus 50 Prozent Theorie und 50 Prozent Praxis.
Welche Schutzmaßnahmen müssen getroffen werden, wenn Trainings in Präsenz stattfinden?
Wir haben ein umfassendes Hygienekonzept mit hohen Standards. Jeder, der in die Polizeiakademie möchte, muss tagesaktuell negativ auf das Coronavirus getestet sein. Auch diejenigen, die geimpft sind. Diese Regel gilt bei uns seit November. Zudem haben wir in vielen Räumen Luftfilteranlagen. In der gesamten Liegenschaft müssen außerdem FFP2-Masken getragen werden. Das wird auch von allen akzeptiert. Dieses System hat sich bewährt: Bisher hatten wir noch keine Infektionsketten innerhalb der Akademie.
Finden Prüfungen in Präsenz statt?
Ja. Viele Klausuren finden in Präsenz statt. Die Räume sind groß, sodass die Studierenden viel Abstand wahren können. Außerdem tragen alle FFP2-Masken. Manchmal führen wir auch Einzelprüfungen durch. Zeitweise haben wir aber auch schon mündliche Prüfungen digital abgenommen.
Leidet die Qualität des Studiums unter der Pandemie?
Nein. In den vergangenen zwei Jahren haben alle Kolleginnen und Kollegen das Studium in Regelstudienzeit geschafft. Der Mix aus digitaler und analoger Lehre hat sich bewährt.
Haben Sie eine gute Impfquote?
Die Polizei ist beim Thema Impfen sehr verantwortungsbewusst und vorbildlich aufgestellt. Wir haben innerhalb der Polizeiakademie eine sehr hohe Impfquote. Sie liegt deutlich über dem allgemeinen Durchschnitt.
Gibt es weniger Studierende aufgrund der Coronalage?
Nein. Wir haben genauso stabile Quoten, wie vor Corona.
Zur Person
Carsten Rose (56) ist seit 2018 Direktor der Polizeiakademie Niedersachsen mit Standorten in Nienburg, Oldenburg und Hann. Münden. Carsten Rose wurde 1965 geboren. Der verheiratete Vater zweier erwachsener Kinder begann 1984 seine Laufbahn bei der Polizei Niedersachsen, damals im ehemaligen mittleren Dienst.
Polizeifälle lösen durch Simulation: VR-Technik gehört für Studierende an der Akademie zum Alltag
Ein Feuer lodert mitten auf der Straße. Der Boden ist voller Scherben. Vom Täter fehlt jede Spur. Was ich sehe, spielt sich glücklicherweise auch nicht in der Realität ab. Es ist nur eine Simulation. Zugegebenermaßen eine ziemlich Gute.
Mithilfe von VR-Technik (virtuelle Realität) wird den Studierenden der Polizeiakademie der Polizistenalltag näher gebracht. Bei der Technik geht es darum, eine virtuelle Realität zu schaffen. Das funktioniert zum Beispiel über eine spezielle VR-Brille, in die ein Smartphone gelegt werden kann.
Der Nutzer blickt also auf ein Display und meint, es sie die echte Welt. Dafür sorgen sämtliche Sensoren und Interaktionsmöglichkeiten. So passt sich das Bild jeder feinen Bewegung des Kopfes an. In den meisten Fällen kann man die Umgebung beeinflussen. Geht man in der Realität einen Schritt nach rechts, passiert dies auch auf dem Display.
Somit entsteht der Eindruck, man würde tatsächlich in einer anderen Welt sein. Wahlweise kann man die Software auch ohne Brille, dafür mit einem PC und einem Controller, den man beispielsweise auch für Videospiele benutzen kann, verwenden.
Virtuelle Realität: Technik wird seit Oktober 2021 an der Akademie genutzt
Die Polizeiakademie nutzt diese Technik seit Oktober 2021. Überfälle, Wohnungsdurchsuchungen und vieles mehr können durch virtuelle Realität simuliert werden. Bei solchen Übungseinheiten immer mit dabei ist Kai Görtler.
Er ist Polizeitrainer und Experte für die VR-Technik an der Mündener Akademie. Görtler sitzt meist vorne an einem separaten PC und steuert das Geschehen. Er hat beispielsweise die Möglichkeit, in der Simulation ein Feuer zu legen, um zu testen, ob die Studierenden richtig reagieren.
Die VR-Technik kann auch von Zuhause genutzt werden: Dafür verschickt der Polizeitrainer einen Link. So können die Studierenden beispielsweise mit ihrem Handy von Zuhause aus auf Spurensuche an einem virtuellen Tatort gehen. „So kann theoretisches Wissen auch praktisch angewandt werden“, betont Görtler.
Polizeiakademie Niedersachsen hatte 1400 Absolventen im vergangenen Jahr
Seit 1946 befindet sich die Polizeiakademie, die damals noch Landespolizeischule hieß, auf dem Areal der ehemaligen Gneisenau-Kaserne.
Vorher hatte die Landespolizeischule ihren Sitz in Hannover. 1973 wurde der Lernort für rund zwei Millionen Mark ausgebaut. Anfang der 1980er-Jahre durften dann auch Frauen die Polizeischule besuchen. Inzwischen ist die Ausbildung zu einem dreijährigen international anerkannten Bachelor-Studium geworden und die Studierenden leben nicht mehr in der Kaserne. Die Akademie stellt bedarfsgerecht ein. Im vergangenen Jahr gab es 1400 Absolventen. So viele Abgänger hat es laut Akademieleiter Carsten Rose noch nie gegeben. Das liege daran, dass es vor drei Jahren ein Programm zur Personalverstärkung der Polizei von der Landesregierung gegeben hat. Im Regelfall seien es jährlich 500 bis 1000 Absolventen.
Im vergangenen Jahr hat die Polizeiakademie Niedersachsen 450 Anwärter eingestellt. In diesem Jahr werden es 1000 sein.
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