Vielleicht kann sich noch jemand an Christian Gross erinnern. Er war vor ein paar Wochen Trainer beim FC Schalke 04 und sagte nach den verlorenen Spielen auf die Frage nach dem Klassenerhalt immer: »Die Hoffnung stirbt zuletzt.«
Dieser Satz ist wohl so ziemlich das Letzte, das jemand in aussichtslosen Situationen hören will. Insofern war das schon richtig von Jens Buchta, dass er die Formulierung mied, als er zu einem Thema sprach, das den Sportbetrieb des FC Schalke nun seit mehr als einer Woche überlagert. Es war (und ist) so überragend, dass der Aufsichtsratsvorsitzende Buchta mit einem Kollegen und der Finanzvorständin Christina Rühl-Hamers 45 Minuten vor dem Anpfiff des letztlich mit 0:3 verlorenen Spiels gegen Borussia Mönchengladbach eine Pressekonferenz in einer Loge der Gelsenkirchener Arena abhielt.
Dabei schien alles gesagt. Ralf Rangnick hatte wegen »zahlreicher Unwägbarkeiten innerhalb des Vereins« abgesagt, und Buchta hatte mitgeteilt, dass die vakante Stelle des Sportvorstands nun anderweitig »schnellstmöglich« besetzt werden solle.
Doch dann präsentierte Buchta in der Pressekonferenz seine Version von: »Die Hoffnung stirbt zuletzt«. Er wolle, so der Rechtsanwalt, mit Rangnick oder seinem Berater Marc Kosicke noch mal »ausloten«, ob die Absage endgültig sei. Das kann als Reaktion auf dieses eine Wort in Rangnicks Erklärung verstanden werden, das auch vielen Fans und jener Initiative, die dem Klub Rangnick als Aufbauhelfer aufdrängen will, noch Hoffnung macht. »Derzeit«, so heißt es, sehe sich der 62 Jahre alte Rangnick nicht in der Lage, die sportliche Verantwortung zu übernehmen.
Machtkampf um die Personalie
Was aber soll in den kommenden Tagen, Wochen und etwa drei Monaten bis zur Mitgliederversammlung mit den wichtigen Wahlen zum Aufsichtsrat Gravierendes passieren, dass ein Sinneswandel einsetzen sollte? Schalke wird absteigen, die Rechtsform des eingetragenen Vereins wird beibehalten. Die Zahlen des Konzernberichts für das Jahr 2020, der am Monatsende veröffentlicht wird, werden schlecht sein. Rücktritte im Vorstand und im Aufsichtsrat wären möglich, sind aber unwahrscheinlich.
Dass die meisten Menschen, die einen Posten bei einem traditionsreichen Fußballverein wie dem FC Schalke 04 innehaben, verbunden mit guter Bezahlung und/oder Annehmlichkeiten, ihn auch behalten wollen, ist anzunehmen. Insofern ist das zähe Ringen um Rangnick auch als Macht- und Wahlkampf zu betrachten. Die private Initiative, die für sich berechtigterweise beansprucht, Schalke und Rangnick für zumindest ein paar Stunden an einen Verhandlungstisch gebracht zu haben, will mit drei Männern in den Aufsichtsrat. Nur fünf Mitglieder werden aber gewählt, mehr als 30 Männer und Frauen haben sich beworben.
Der Finanzexperte Frank Haberzettel, ein Sprecher der Gruppe, sagte dem SPIEGEL, dass seine Initiative das »Pingpong-Spiel« zwischen seiner Initiative und dem Verein gern beenden würde. Aber das ist ein frommer Wunsch. Hinter den Kulissen werden auf beiden Seiten mächtig Strippen gezogen, und auch öffentlich gibt es weiter Streit. Haberzettel bezeichnete Buchtas Behauptung, die Gruppe habe trotz gegenteiliger Beteuerungen erneut Sponsoren des Vereins angesprochen, als »absolut falsch«.
Die Gräben sind tief, Buchta sagte: »Ich glaube, es geht der Gruppe nicht darum, Schalke zu helfen, sondern Deutungshoheit zu gewinnen.« Die Volte, während einer Aufsichtsratssitzung den Namen Rangnick einzuführen, als Markus Krösche von RB Leipzig gerade als Sportvorstand schmackhaft gemacht werden sollte, habe dem Verein und der Suche nach neuem Personal geschadet, so Buchta. Krösche sagte schon einen Tag nach der Sitzung ab.
Die Mission des Retters muss nur beginnen, um zu glücken
Der große Gewinner des schwelenden Konflikts ist Ralf Rangnick. Er wird von einflussreichen Medien und vielen Fans des FC Schalke 04 als Retter gefeiert, dessen Mission nur beginnen muss, um zu glücken. Sein über den Berater geäußerter Wunsch, viel lieber Bundestrainer zu werden, wurde dabei missachtet. »Ich würde zu Fuß bis zum Nordpol laufen, damit Ralf Rangnick käme«, sagte Aufsichtsrat Peter Lange am Samstag an der Seite von Buchta.
Das kommt an der euphorischen und breiten Basis gut an, ist aber angesichts der minimalen Aussicht, den »Retter« zu bekommen, auch leicht zu sagen. Versprochene Spaziergänge zum Nordpol und eine Onlinepetition mögen vielleicht ein wenig helfen, letztlich aber ist das Geld ein wesentlicher Faktor.
Schalke, das machte Finanzvorständin Rühl-Hamers klar, habe im schlimmsten Fall nur ein Budget von etwa 20 Millionen Euro für die kommende Saison in der 2. Liga. Eine Steigerung sei abhängig von Transfers und Sponsoren. Die anderen Möglichkeiten, Geld in ein Unternehmen mit der Rechtsform eines eingetragenen Vereins zu pumpen, sind gering.
Ist Rangnick zu teuer?
Die Eckdaten, so Buchta, seien von der Seite Rangnicks zumindest klaglos aufgenommen worden, ein zweites Gespräch fest vereinbart worden. Darin habe es dann auch um »persönliche Eckdaten«, also Vertragszeit und Gehalt von Rangnick, gehen sollen. Nach Angaben von Buchta sei das in der ersten Runde am vergangenen Donnerstag noch kein Thema gewesen.
Nach Informationen des SPIEGEL sind die finanziellen Vorstellungen Rangnicks aber sehr wohl schon bekannt gewesen. Die im Raum stehende Summe soll sehr deutlich über der in anderen Medien kolportierten liegen. Nach Informationen von »Bild« soll Rangnick bereit gewesen sein, für ein ähnlich hohes Gehalt wie Jochen Schneider zu arbeiten, das anhand der im Konzernbericht veröffentlichten Zahlen seriös auf etwa eine Million Euro geschätzt werden darf.
Eine solche Summe wäre für einen Sportvorstand eines Zweitligisten extrem hoch. Kandidaten wie der ehemalige Mainzer Rouven Schröder, die nun zum aktuellen Kandidatenkreis zählen sollen, dürften mit den Möglichkeiten des FC Schalke 04 deutlich eher zu haben sein.
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