Ausgerechnet mit einer Elfmeterszene kehrt »Ted Lasso« in diesem Sommer zurück. Ausgerechnet mit einem Elfmeter, der ein tragisches Ende nimmt, beginnt die zweite Staffel der Comedyserie über einen amerikanischen Trainer, der in den englischen Fußball hineinrutscht – nur wenige Wochen, nachdem der reale englische Fußball im EM-Endspiel eine weitere Elfmetertragödie erlebt hat.
Dass Jason Sudeikis, dem Erfinder und Darsteller des schnauzbärtigen Trainers Ted Lasso, dieser Zusammenhang aufgefallen ist: kein Wunder. Dass Sudeikis aber darauf reagierte, indem er bei einer PR-Veranstaltung zum Staffelstart ein T-Shirt mit den Vornamen der drei Elfmeterfehlschützen Marcus Rashord, Jadon Sancho und Bukayo Saka trug, um ihnen angesichts von rassistischen Beschimpfungen seine Solidarität zu versichern: Das war eine Geste, die der Serienfigur Ted Lasso ausgesprochen würdig war.
»Ted Lasso«-Star Sudeikis: T-Shirt-Solidarität mit englischen Elfmeterschützen
Foto: Frazer Harrison / FilmMagic / Getty imagesDenn Coach Lasso steht für ein unerschütterliches Glauben an das Gute, daran, dass sich mit Nettigkeit alles lösen lässt, dass Zusammenhalt die entscheidende menschliche Tugend ist. Mit dieser Weltsicht ausgestattet, gerät er in der ersten Staffel der Serie zunächst mit so ziemlich jedem im englischen Fußballgeschäft aneinander – zumal er bis dahin nur im American Football tätig war und eigentlich nur als Spielstein in einem zynischen Racheplot der verlassenen Ehefrau des Clubchefs gedacht war.
Lockerungsübung in angespannten Lockdownzeiten
Doch nach und nach zieht Ted Lasso mit seiner entwaffnenden Art fast alle auf seine Seite. Und das nicht nur innerhalb der Erzählung: Zunächst eher zurückhaltend aufgenommen, als sie im Spätsommer 2020 beim Streamingdienst von Apple anlief, entwickelte sich die Serie zum Geheimtipp und mehr. Insbesondere in den USA wurde Lassos Weltsicht zum Antidot in der vergifteten Wahlkampfatmosphäre, zur Lockerungsübung in den angespannten Lockdownzeiten.
Gute Stimmung, aber keine guten Ergebnisse: Das Trainerteam der »Greyhounds« aus Richmond
Foto: Colin Hutton / Apple TV+Die Belohnung waren gleich 20 Nominierungen für die Emmy Awards, damit nur knapp unter dem Rekord für eine Comedyserie (gehalten von »30 Rock«). Und eine abschließende dritte Staffel ist längst in Auftrag gegeben beim Team um Sudeikis, Brendan Hunt (der Lassos Assistenz-Coach Beard spielt), Joe Kelly und den erfahrenen Showrunner Bill Lawrence (»Scrubs«). Davor aber steht die Frage, ob die zweite Staffel – von der jeden Freitag eine neue der insgesamt zwölf Folgen veröffentlicht werden soll – dem Hype standhält.
Ein Gespenst geht um in der Kabine des Richmond FC, weiterhin. »Ich glaube an den Kommunismus«, sagt Ted Lasso in einer seiner legendär verwickelten Motivationsansprachen: »den Romcommunismus«. Er glaube daran, dass alles wie in romantischen Komödien (Englischer Genrebegriff: rom com) am Ende gut ausgehe. Deswegen sehe er Schwierigkeiten nur als den dramaturgisch notwendigen Mittelteil an, nach dem sich die Dinge zwingend zum Guten wenden würden.
Die Spieler nicken beifällig und lassen sich auf eine Fachdiskussion über die Vorzüge von Romcom-Stars wie Hugh Grant oder Renée Zellweger ein: Coach Lasso hat sein Team also im Griff, die Stimmung ist bestens – und das, obwohl die erste Staffel mit dem Abstieg aus der Premier League geendet hatte. Dass es sich aber außerhalb des grellen medialen Lichts der höchsten Spielklasse ruhig arbeiten ließe, erweist sich als Trugschluss. Es gibt ja noch »das verdammte Internet«, alle Skandälchen werden via Twitter verstärkt und sorgen für zusätzliche Irritationen.
Charme und Kekse
Schon das zeigt, dass sich »Ted Lasso« in seiner zweiten Staffel zunächst (es wurden der Presse acht der zwölf Folgen zur Sichtung zur Verfügung gestellt) ein wenig von seiner märchenartigen Grundidee entfernt. Ja, es gibt mal einen Witz dazu, dass gegen Sheffield Wednesday an einem Samstag gespielt wird, aber die Grundirritation des fachfremden Amerikaners ist nicht mehr das Hauptthema.
Dafür werden einige Aspekte des modernen Fußballs näher betrachtet. So handelt eine Folge etwa von den Verstrickungen des Trikotsponsors »Dubai Air« in einen Umweltskandal, es stellen sich wohlvertraute moralische Fragen, auf die es hier aber ungewohnt deutliche Antworten gibt.
Zugleich werden die sowieso schon sehr liebevoll entworfenen Nebenfiguren weiterentwickelt. Wunderbar, wie der knurrige Mittelfeldmotor Roy Kent mit seinem Karriereende klarzukommen versucht, auch wenn er dabei eine U9-Mädchenmannschaft anfluchen muss. Großartig, wie nebenbei die Medienlandschaft mit Realityshow-Zynismus, Gute-Laune-Terror im Frühstücksfernsehen und Ex-Fußballer-Experten-Overkill im »Gillette Soccer Saturday« parodiert wird.
Neu im Team: Sportpsychologin Dr. Sharon Fieldstone (Sarah Niles, 2.v.l.)
Foto: Colin Hutton / Apple TV+Weil gute Stimmung ohne gute Ergebnisse auch in Richmond nicht nachhaltig ist, wird eine Sportpsychologin engagiert. Nicht nur, weil sie nicht auf seinen Charme und seine Kekse reagiert, lässt sie bald eine Tiefe hinter der unerschütterlich positiven Art von Ted Lasso zum Vorschein kommen. Doch das soll nicht abschrecken: Die Frequenz der popkulturellen Anspielungen, der verstolperten Gags und mit Witz inszenierten Kalendersprüche nimmt nicht ab. Und in der Königsdisziplin der Rom-Com-Serien, der herzerwärmenden Weihnachtsfolge, brilliert »Ted Lasso« erwartungsgemäß.
Schließlich ist ja inzwischen der ganze Verein durchwirkt vom guten Geist Ted Lassos. Ein guter Geist, von dem man sich im echten Sport, ja, im wirklichen Leben mehr wünschen würde. Aber deswegen schaut man ihm ja weiterhin so gern zu.
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