Musical
... und mitten im Märchen fällt die Technik aus
Verhexter Bühnenzauber: Das Disney-Musical „Die Schöne und das Biest“ muss beim Gastspiel im Admiralspalast einen Stress-Test bestehen.
Es sind nur fünf Töne. Aber sie verzaubern sofort. Und entführen in eine heile Märchenwelt. Es sind die fünf Anfangstöne aus dem berühmten Titellied des Disney-Musicals „Die Schöne und das Biest“. Erwachsene werden da wieder zu Kindern und denken an den Trickfilmklassiker von 1991. Oder an das daraus entwickelte Musical, das drei Jahre später die Bühnen eroberte. Die Kinder von heute denken vielleicht eher an die Disney-Neuverfilmung mit echten Schauspielern, die 2017 ins Kino kam. Alle aber denken vor allem an eine Zeit, die lange her scheint: Es war einmal. Vor Corona.
Und ist „Die Schöne und das Biest“ nicht sogar eine Parabel auf die Pandemie? Handelt sie nicht von einem Fluch, der ein ganzes Schloss befällt, dessen Personal drinnen bleiben und ein tristes Leben fristen muss – und nur eines wünscht: dass es wieder wie früher wird, dass man endlich sein altes Leben zurückkriegt? „Mensch wieder sein“: Diesen Song jedenfalls, gesungen von all den Bediensteten des Schlosses, die in Mobiliar, Geschirr und Besteck verwandelt sind – wird man jetzt, im Berliner Admiralspalast, noch mal ganz anders hören.
Die erste große Bühnenproduktion nach den Lockdowns
Denn hier ist das Disney-Musical die nächsten Tage als Gastspiel zu erleben. Nachdem es 2007 in einer Eigenproduktion am Musicaltheater am Potsdamer Platz gelaufen ist, kam 2014 eine Tourneeproduktion des Budapester Operetten- und Musicaltheaters erstmals in den Admiralspalast. Und kehrt nun zurück: als erste große Bühnenproduktion nach der langen Zwangspause: nicht mit Musik vom Band, sondern mit großem Orchester.
Und mit zahllosen Darstellern, die auf der Bühne wimmeln, wie man das lange nicht mehr für möglich hielt. Mit der geltenden 2G-Regel können die Zuschauer sich relativ sicher fühlen, auch wenn einige den Mundschutz am Platz lieber aufbehalten. Aber der Saal ist voll. Denn alle wollen mal wieder schwelgen, vergessen und sich aus den verwünschten Corona-Tagen in eine verwunschene Zeit träumen.
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Aber ach, es ist verhext! In diesen Zeiten will das Vergessen einfach nicht gelingen. Auch nicht zur Premiere am Freitagabend. Zwar muss die Produktion sich nicht hinter dem Broadway-Original verstecken, es wird jede Menge Bühnenzauber aufgefahren. Aber dann verpufft die Illusion jäh. Weil es einen technischen Bühnen-GAU gibt. Und der Disney-Klassiker einen Stress-Test bestehen muss.
Beginnen wir mit all dem Positiven: Das Bühnenbild, das in ständiger Bewegung ist, das auf der Drehbühne fast zu tanzen scheint. Im Nu wird da ein Schloss hergezaubert, eine Wendeltreppe, spinnwebenverhangen wie in einer Geisterbahn hin- und hergefahren. Die schöne Belle (Veronika Fekete-Kovács), die bei dem Biest leben muss, darf in die schönsten Kleider schlüpfen, das Biest (Dávid Péter Cseh) gruselig grollen und toben.
Aber der größte Zauber geht natürlich von dem verwunschenen Personal aus. Von Madame Pottine (Ágota Siménfalvy), der lebenden Teekanne, der sogar Dampf aus dem Schnabel entweicht. Und vom Pat-und-Patachon-Gespann Herr von Unruh (Tamás Földes), der eingerosteten Uhr, und dem umso agileren Kerzenleuchter Lumière (Ádám Bálint).
Technik-Panne: Nach 30 Minuten fällt der Vorhang
Aber dann! Die ersten langen Gesichter gibt es schon, als die Darsteller zu sprechen beginnen. Die Ungarn sprechen zwar Deutsch, man muss keine Übertitel lesen, aber sie tune es nicht immer ganz verständlich. Der Running Gag, dass Lumière mit französischem Akzent spricht, verpufft, weil alle mit Akzent sprechen, zuweilen auch recht schwer zu verstehen sind. Was der schlecht ausgesteuerte Ton noch verstärkt.
Und nach etwas mehr als einer halben Stunde die Riesenpanne. Gerade erst hat Belle das verhexte Schloss betreten, da blendet ein gleißender Scheinwerfer das Publikum. Kurz darauf fällt mitten in der Szene der Vorhang, das Saallicht geht an und die Zuschauer sind ratlos. Ist jetzt schon Pause? Nach langem Warten endlich eine Durchsage: Es handelt sich um eine technische Panne. Es geht gleich weiter. Ein bisschen wie am BER: Man ist schon gelandet, aber darf noch nicht raus. Erst nach 20 Minuten, gefühlten Ewigkeiten, geht es weiter.
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Der Musical-Fan erinnert sich an die Premiere von „Les misérables“ im Theater des Westens 2003, als die für diese Produktion so wichtige Drehbühne ausfiel. Wie kann man so ein Stimmungsloch wieder heben, wie den Elan zurückbringen? Das Publikum applaudiert, froh, dass es überhaupt weiter geht. Darsteller und Musiker mühen sich redlich.
Standing Ovations für die armen Künstler
Und dann das kleine Wunder: Spätestens wenn Lumière zur großen Shownummer „Sei hier Gast“ aufruft und Besteck und Geschirr dazu tanzen, sind die Zuschauer im Bann. Und nach der regulären Pause ist man doch ganz angerührt von der unmöglichen Liebe der Schönen zu dem Biest. Alan Menkens oscar- und grammy-gekrönte Musik ist einfach unkaputtbar. Beim Titellied summen dann nicht wenige Zuschauer mit. Und am Ende gibt es nicht nur Applaus, sondern Standing Ovations für die armen Künstler, die diesen Hänger überspielen mussten.
Am Ende darf man attestieren: „Die Schöne und das Biest“ hat den Stress-Test bestanden. Und passt nicht selbst diese Patzer-Premiere als Parabel auf die Pandemie? Eine Zwangspause, nach der das normale Leben wieder hochgefahren wird. Das jedenfalls kann der Zuschauer als Hoffnung mit nach Hause nehmen.
Admiralspalast, Friedrichstr. 101, Mitte. Termine : 21.-28.11., 1.-4.12. (2G-Regel). Tickets über: https://ift.tt/30IKeCA oder Tel: 01806-101011 (0,20 Euro/min.).
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